9. November – Schicksalstag der Deutschen

Zusätzliche Stühle mussten am Abend des 9. Novembers in die Eingangshalle des Kornhauses getragen werden. Der Andrang der Besucher zum Vortrag über den 9. November in der neueren deutschen Geschichte hielt bis kurz vor Beginn der Veranstaltung an.

Eingeladen hatte der Arbeitskreises Stadtgeschichte Gernsbach zu einer historischen Soirée mit insgesamt fünf kurzen Vorträgen über den 9. November der Jahre 1848, 1919, 1923, 1938 und 1989, jeweils vorgetragen von einem Mitglied des Arbeitskreises.

Die Veranstaltung war der Auftakt zu der Vortragsserie zum lokalen Gedenken an die badische Revolution von 1848/49. Zum 175-jährigen Revolutionsjubiläum werden mehrere Vorträge in Zusammenarbeit des Arbeitskreises Stadtgeschichte mit dem Kulturamt und dem Stadtarchiv von Gernsbach im Kornhaus stattfinden.

So begann auch der Vortrag mit dem Erinnern an die Ereignisse des. 9. Novembers 1848. Dr. Cornelia Renger-Zorn ging auf den Tag der Hinrichtung von Robert Blum ein, des Abgeordneten der deutschen Nationalversammlung am 9. November 1848. Sie stellte den Politiker und Menschen Robert Blum vor. Sein Tod bewegte die Menschen damals sehr, selbst in Gernsbach wurden Beileidsbekundungen veröffentlicht und eine Robert-Blum-Gedenkfeiern veranstaltet. Die Teilnahme der Gernsbacher Bürgerwehr bei dem Trauerzug durch die Stadt löste damals rege Diskussionen aus.

Besuch des Großherzogspaar in Gernsbach 1914. Quelle: Stadtarchiv Gernsbach

An die Ausrufung der Republik am 9. November 1918 erinnerte Wolfgang Frose und stellt dieses Datum als eine der Sternstunden der deutschen Demokratiegeschichte vor. Dabei ging er nicht so sehr auf die dramatischen Stunden des 9. November 1918 in Berlin ein oder auf die eigenmächtige Verkündung der Abdankung von Wilhelm II. durch Prinz Max von Baden, sondern stärker auf die Hintergründe des politischen Aufbruchs der Mehrheit der Bevölkerung, die eine soziale und demokratische Neuordnung anstrebte und letztlich scheiterte.

Den lokalen Bezug stellte er durch Zitate des Gernsbacher Frauenverein anlässlich der Feier seines 50-jährigen Bestehens her.

Presszensur: Titelseite des “Der Murgtäler – Gernsbacher Tageblatt” vom 9. November 1923. Quelle: Archiv des Landkreises Rastatt.

Zentrales Thema des dritten Beitrags von Regina Meier war der Hitlerputsch am 9. November 1923. Vor genau 100 Jahren, am 9. November 1923, versuchte Adolf Hitler in München zum ersten Mal, politische Macht zu erlangen. Sie verwies auf die hohe Inflation und die rasante Aufblähung der Banknoten-Ausgabe und anhand von Zeitungsausschnitten aus Bereits am Samstag, 10. November 1923 verkündete der Der Murgtäler/Gernsbacher Tageblatt „Hitler-Putsch zusammengebrochen“… „Ein schnelles Ende“. Auch wenn Hitlers Putschversuch schnell niedergeschlagen wurde, so war er doch Vorbote für die Entwicklung des nationalsozialistischen Deutschlands.

Vortrag von Sabine Giersiepen zum 9. November 1938.

Sicher gehört der 9. November 1938 zu den schwärzesten Tagen in der deutschen Geschichte. Mit den Judenpogromen in ganz Deutschland fanden die Ausgrenzung, Demütigung und Verfolgung jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger ihren vorläufigen Höhepunkt. Sabine Giersiepen ging in ihrem Beitrag ausführlich auf den Brand der Gernsbacher Synagoge ein sowie auf die  Stürmung von Wohnungen und Geschäftshäuser jüdischer Familien in Gernsbach am 10. November 1938. Sie verlas auch lokale Stimmen, die sie aus Archiven und Briefen aus der Zeit gefunden hat. Diese fanden bereits Eingang in den Führungen zur jüdischen Geschichte Gernsbachs.

Annegret Kalvelage referiert über den 9. November 1989.

Der letzte Beitrag des Vortragsabends wurde von Annegret Kalvelage übernommen und beschäftigte sich mit dem Mauerfall am 9. November 1989. Dieses Datum ist fest mit der Deutschen Einheit verknüpft und erinnert an erfolgreichen Widerstand und Bürgermut. In ihrem Vortrag ging Annegret Kalvelage auch auf Michael Gorbatschow und seiner Politik der Perestroika und Glasnost sowie auf die Gewerkschaft Solidarnosc ein. Als dann am 9. November 1989 Politbüro-Sprecher Günther Schabowski während einer Pressekonferenz in Berlin Reisefreiheit für alle DDR-Bürger ankündigt, läutet er damit unfreiwillig das letzte Kapitel in der Geschichte der deutschen Teilung ein.

Das letzte Kapitel des Abends wurde von den Zuhörerinnen und Zuhörer gestaltet. Sie waren aufgerufen, ihre eigenen Erinnerungen an den 9. November 1989 wach werden zu lassen.

Pinnwand mit Zuschriften: Wie haben Sie den 9. November 1989 erlebt?

Auf einer Pinnwand im Kornhaus waren bereits verschiedene Zuschriften angebracht werden. Diese waren nach dem Aufruf im Gernsbacher Stadtanzeiger und auf der Webseite des Arbeitskreises eingegangen und zeigten ein individuelles Bild der Erlebnisse anlässlich des Mauerfalls in Berlin.

Die Vorträge hatten nicht nur die große Politik im Blick, sondern immer auch die besonderen Verhältnisse in Gernsbach. Dies machte den besonderen Reiz der Vorträge aus und bot Stoff für regen Austausch.

Ein besonderen Schlusspunkt wurde durch eine überraschende Ankündigung eines Jubiläums gesetzt. Vor genau 25 Jahren hatte der Arbeitskreis mit genau diesem Thema, eine Veranstaltung zum 9. November in der deutschen Geschichte, seine selbstständige Tätigkeit begonnen. Der Kreis hat sich aus den Aktivitäten zum 150-jährigen Jubiläum der Badischen Revolution gebildet und danach seine Beschäftigung mit der Geschichte zu lokalen Stadtgeschehen erweitert.

Bericht über die Soirée 1998.

Einige der damaligen ersten Mitglieder sind immer noch aktiv in dem Arbeitskreis dabei und haben zwischenzeitlich durch neue Interessierte, die ihre jeweiligen Schwerpunkte einbringen, eine wertvolle Bereicherung erfahren. So kann ein breites Spektrum von Themen behandelt werden, die die reiche Geschichte der Stadt bietet. Mit dem Austausch der Erinnerungen an Veranstaltungen in den letzten 25 Jahren klang der Abend sehr lebendig aus.

Regina Meier

 

Rege Diskussionen schlossen sich nach den Vorträgen und der Jubiläums-Nachricht an.

In fünf einzelnen Beiträgen gingen die Mitglieder des Arbeitskreises auf die einzelnen historischen Daten ein. Die Vorträge wurden nicht im Hinblick auf eine Veröffentlichung geschrieben, sondern sehr bewusst als mündlichen Vortrag verfasst. Doch aufgrund der zahlreichen Rückfragen stellen wir hiermit die einzelnen Vorträge zum Nachlesen zur Verfügung.

Danke für die wohlwollenden und zusprechenden Rückmeldungen zu der Veranstaltung. Diese haben den doch hohen Aufwand für jede/n der Beteiligte gerechtfertigt und im Nachhinein Bestätigung gebracht, das richtige Thema zur richtigen Zeit getroffen zu haben. Danke auch für die Gastfreundschaft durch das Kornhaus-Team.

Für weitere Anmerkungen sind wir jederzeit offen. Gerne als Mail an kontakt@stadtgeschichte-gernsbach.de oder direkt bei einem unserer nächsten Treffen. Den Termin finden Sie auf unserer Webseite oder in der jeweiligen Ausgabe des Stadtanzeigers Gernsbach. 

Für die Akteure brachte der Vortragsabend eine intensive Beschäftigung mit dem jeweiligen Datum und viel positive Rückmeldung von den Zuhörerinnen und Zuhörer.