Arbeitskreis Stadtgeschichte äußert sich zu Färbertorplatzplänen
Kürzlich ließen Mitglieder des Arbeitskreises Stadtgeschichte am Färbertorplatz mit Helium gefüllte Luftballons bis auf eine Höhe von 17 Metern steigen. Sie sollten die Dimensionen des hier aktuell geplanten Bauprojekts visualisieren. Und tatsächlich: Selbst bei windbewegten Schnüren zeigte sich die enorme Höhe der von der Stadtverwaltung und der Sparkasse Rastatt-Gernsbach vorgesehenen Baukörper, die dem Parken und Wohnen dienen sollen.
„Wir begrüßen ausdrücklich Vorhaben, die sich um eine Neugestaltung des Färbertorplatzes bemühen“, erklärt Regina Meier vom Arbeitskreis Stadtgeschichte: „Aber wir haben Sorge um den Denkmalwert des Ensembles Altstadt Gernsbach.“ Zu einem Vor-Ort-Termin wurden deshalb auch externe Fachleute eingeladen, so unter anderem Professor Dr. Stefan Lindl, der an der Universität Augsburg Geschichte mit besonderem Blick auf historische Stadtentwicklung lehrt und in Gernsbach wohnt.
Er betont: „Je sensibler der Bauplatz, um so umsichtiger muss er entwickelt werden“, und fährt fort: „Dieser Grundsatz liegt im Interesse der Stadt, des Investors und der gegenwärtigen und zukünftigen Bürger*innen.“ An dieser notwendigen Umsicht fehlt es bislang nach Ansicht des Arbeitskreises Stadtgeschichte bei den bis jetzt bekannt gewordenen Plänen zur Bebauung des Färbertorplatzes. Der Sprung bei den Maßstäben wurde dabei übereinstimmend als offensichtlichstes Problem gesehen. Damit würden die Färbertorstraße zur schmalen Schneise verengt, angrenzende Grundstücke verschattet und die berühmte Ansicht der Altstadt auf dem Hügel nun auch aus der Nähe verdeckt, nachdem Letzteres gerade bereits aus mittlerer Distanz durch die massive Bebauung des ehemaligen Pfleiderer-Areals geschehe. „Die veröffentlichte Darstellung des Projekts für den Färbertorplatz erscheint hier schon auf den ersten Blick nicht genau und ehrlich“, merkt dazu Dr. Cornelia Renger-Zorn an.
Im fachlichen Austausch kamen weitere Bedenken zusammen. So werde die Verdichtung der Färbertorstraße auch zu einer unübersichtlichen Parkhauseinfahrt gegenüber dem Mühlgrabenweg führen – und dies wiederum zum Sicherheitsrisiko für gehende wie fahrende Verkehrsteilnehmende werden; es fehle das notwendige „Sichtdreieck“, wie Gernsbachs früherer Stadtbaumeister Gerhard Schäuble urteilt. Auch hätte man sich Informationen gewünscht, wie das Projekt auf die schwer einzuschätzende, sicherlich aber schwierige Situation unter der Oberfläche eingeht.
Der Färbertorplatz war nämlich nicht schon immer ein Platz. Noch bis Ende der 1950er Jahre wurde das Gelände zwischen der Stadtmauer und dem Ziegelbach als landwirtschaftliche Fläche genutzt mit Obstbäumen, Wiesen und Äckern. Erst 1960/61 erfolgte zusammen mit der Verdolung des Bachs die Auffüllung des Geländes zur Anlage eines „Festplatzes“, der zur Abhaltung der Jahrmärkte, aber auch als Parkfläche dienen sollte. Genau 60 Jahre ist es inzwischen her, als 1963 der erste Herbstjahrmarkt auf dem Färbertorplatz statt wie bislang in den Straßen der Altstadt stattfand.
„Die unmittelbare Nähe zum Ensemble Altstadt Gernsbach macht den Färbertorplatz zu einem sensiblen Baugrund“, sagt auch der Kulturwissenschaftler und Weinbrenner-Experte Dr. Ulrich Maximilian Schumann. Er wünscht sich für die künftige Bebauung „einen horizontalen Abstand zur bestehenden Böschung und damit der ehemaligen Stadtmauer, vor allem aber eine vertikale Höhenbeschränkung, um die Ansicht des Stadtbilds nicht zu verunmöglichen.“ Für ihn und alle Mitglieder des Arbeitskreises Stadtgeschichte ist vor allem eines wichtig: „Wir dürfen die einzigartige Silhouette der Altstadt nicht hinter einer bislang beliebig wirkenden Neubebauung verschwinden lassen.“