Bei der öffentlichen Gemeinderatssitzung am 9. Dezember 2024 stand als ein Tagesordnungspunkt die Vorstellung von Möglichkeiten zum Erhalt beziehungsweise zur Restaurierung der Gernsbacher Annenstatue zur Debatte. Teresa Kolar, Restauratorin für Wandmalerei und Architekturoberflächen des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, stellte anhand einer etwa zehnminütigen Beamer-Präsentation drei mögliche Varianten mit Kostenschätzungen vor. Die Referentin wurde dabei unterstützt von Dr. Kristina Holl, Hauptkonservatorin am Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen, und Tina Frühauf, Gebietsreferentin am Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Bei der Sitzung anwesend waren auch Roland Lenz, Professor für Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei, Architekturoberfläche und Steinpolychromie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart, und Dr. Dörthe Jakobs, Hauptkonservatorin am Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen im Ruhestand. Der Arbeitskreis für Stadtgeschichte Gernsbach wurde durch Regina Meier, Stephan de Laporte, Bernd Säubert und Cornelia Renger-Zorn vertreten.
Zunächst wies die Referentin darauf hin, dass die Gernsbacher Statue der heiligen Anna als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung Denkmalschutz genießt (§ 28 DSchutzG), und gab einen kurzen Überblick über die seit 2019 stattgefundenen Untersuchungen. Die Semesterarbeiten von Benno Stadtherr und Leandra Schöll an der Akademie für bildende Künste Stuttgart im Studiengang Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei, Architekturoberflächen und Steinpolychromie wiesen an der Annenfigur 13 Gestaltungsphasen nach, von denen Phase 1 bis 10 monochrom (einfarbig) waren. 13 Gestaltungsphasen bedeutet, dass die Steinfigur 13 ihr Aussehen bestimmende Farbfassungen erlebt hat. Bei diesen 13 Phasen waren die ersten zehn bis auf die vergoldeten Teile (Strahlenkranz, Sonne auf der Brust, Buch) einfarbig. Daraus ist zu schließen, dass die Figur früher ganz anders aussah als sie sich heute darstellt.
Im Folgenden erläuterte die Referentin drei Varianten des Erhalts und der Restaurierung, wobei die angesprochenen Maßnahmen auch den Unterbau der Statue, also Postament und Säule, berücksichtigten.
Bei der Variante A mit einer Kostenschätzung von Euro 15.000 würde der Status quo erhalten und der Fortschritt der Schäden an der Figur möglichst gestoppt. Nötige Maßnahmen in diesem Rahmen wären die Konservierung am Stein, die Entfernung extrem beschädigter Fassungen und die Randsicherung/Transportsicherung der Fassungen. Das bedeutet: Der Sandstein, aus dem die Figur der Heiligen Anna besteht, wird vor weiterem Verfall geschützt und seine Substanz beispielsweise durch Kittungen langfristig bewahrt. Extrem beschädigte Fassungen/Farbschichten mit abblätternden, extrem schadhaften Schichten der Bemalung werden entfernt und die Ränder der sich ablösenden Farbschichten/Fassungen werden gesichert, um ein weiteres Abblättern oder den weiteren Verlust der Farbe besonders bei Transporten und/oder weiteren Restaurierungsmaßnahmen zu verhindern. Variante A erlaubt keine „Lesbarkeit“ der Statue, das heißt dem Betrachter bleibt verborgen, wie die Statue ursprünglich einmal ausgesehen hat. Außerdem ist bei Variante A eine Aufstellung der Heiligenfigur an ihrem ursprünglichen Standort nicht möglich.
Bei Variante B mit einer Kostenschätzung von Euro 45.000 würden Teile historischer Farbschichten erhalten, so dass sich der Originalzustand der Figur teilweise erkennen ließe. Nötige Maßnahmen sind auch bei dieser Variante die Konservierung am Stein, die Entfernung extrem beschädigter Fassungen und die Randsicherung/Transportsicherung der Fassungen (siehe oben Variante A). Dazu kommen noch die folgenden Maßnahmen: Abnahme jüngerer Schichten (Dispersion), Freilegung von Gesicht und Brust und Neufassung nach Befund „Steinimitation“. Bei diesen Maßnahmen werden jüngere Schichten beziehungsweise obere Farbschichten, besonders im Bereich von Gesicht und Brust, mit einer speziellen Technologie entfernt und die darunterliegenden älteren oder sogar ursprünglichen Schichten konserviert, so dass teilweise sogar die ursprüngliche, eine Steinoberfläche imitierende Fassung wieder hergestellt werden kann. Diese Maßnahmen würden die ursprüngliche Gestaltung der Figur besser „lesbar“, also erkennbar machen. Eine Aufstellung im Freien, also am ursprünglichen Standort, wäre möglich, aber eine erneute Craqueléebildung (Bildung von Rissen) ist über kurz oder lang zu erwarten.
Variante C sieht, nach einer Konservierung am Stein (siehe Variante A und B), eine Entfernung sämtlicher Fassungen/Farbschichten und eine Neufassung der Statue mit Original-Materialien nach der ältesten festgestellten, Stein imitierenden Fassung vor, wobei in unauffälligen Bereichen zu Dokumentationszwecken Teile der originalen Fassung erhalten bleiben. Variante C würde sich auf geschätzte Kosten von Euro 60.000 belaufen. Die Statue wird bei dieser Variante in der ersten gemeinsamen Farbfassung von Figur, Säule und Postament rekonstruiert. Auf diese Weise wird eine optimale Lesbarkeit erreicht. Der Betrachter erlebt die Statue so, wie sie nach ihrer Anfertigung oder nicht lange danach wirklich aussah, also im originalgetreuen historischen Zustand. Dazu wäre bei Variante C eine langfristige Aufstellung im Freien, also am ursprünglichen Standort, möglich.
Abschließend wies die Referentin auf die verschiedenen Fördermöglichkeiten hin, die von Tina Frühauf noch näher erläutert wurden. Beispielsweise würden die Kosten der Variante C von Euro 60.000 vom Landesamtes für Denkmalpflege zu 100 % als förderungswürdig anerkannt. Das bedeutet, das Landesamt für Denkmalpflege würde die Restaurierung der Heiligen Anna mit dem höchstmöglichen Fördersatz von 33 %, also mit Euro 19.800 (33 % von 60.000) unterstützen. Bis zu einer definitiven Entscheidung, welche der drei Varianten zur Anwendung kommen soll/kann, verbleibt die Statue der Heiligen Anna in der Werkstatt des Landesdenkmalamtes in Esslingen.
(Cornelia Renger-Zorn, Foto: Regina Meier)